Es gibt so Dinge im Leben die sind total faszinierend:  Als ich mit den beiden Jungs schwanger war und klar war, dass ich im Krankenhaus entbinden werde, stellte diese Entscheidung kein Mensch auf der Welt infrage. Für  die Gesellschaft scheint dies der „normale, natürliche Werdegang“ beim Thema Geburt zu sein. Dass ich dieses Mal gerne eine Hausgeburt möchte, ist für die meisten Menschen hingegen kaum vorstellbar. Vom erstaunten Mund offen stehen lassen, über ein „Du bist aber mutig, das könnte ich nicht.“ bis hin zum „unverantwortlich, was da alles passieren kann.“ höre ich täglich alles und trotzdem oder gerade deshalb habe ich mich dazu entschieden ganz offen damit umzugehen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, diese ganzen Vorurteile sachlich zu thematisieren und den Versuch wagen ein wenig diese „Angst vor Hausgeburten“ zu nehmen. Mein Ziel ist es nicht Menschen dafür zu begeistern oder zu Hausgeburten zu animieren – das muss und sollte unbedingt jeder für sich entscheiden. Ich möchte genauso wenig von der Klinik abraten, denn (und da sind sich hoffentlich alle einig) das Wichtigste bei einer Geburt ist es doch sich sicher und gut aufgehoben zu fühlen, sich fallen lassen und damit sich für eine Geburt öffnen zu können. Wer sich in Sachen Geburtsort unsicher ist, sollte deshalb unbedingt Vergleiche ziehen und dabei nicht die Meinung der Freundin übernehmen, sondern in sich hineinhören und evtl. sogar aufschreiben, auf welche Punkte man wert legt. Einer Frau wird eine Hausgeburt kaum etwas bringen, wenn sie sich im Prinzip nur neben einer Neonatologie entspannen kann und eine andere wird in der Klinik nicht so gut entspannen können, wenn sie Angst vor medizinischer Intervention hat.

Produktbild Hausgeburt

Mein Ziel ist es ein wenig mehr Aufklärung und Wirklichkeit in diese ganze außerklinische Geburtsthematik zu bringen  – realistisch gesehen ist eine Hausgeburt nämlich weiter entfernt von einem leichtsinnigen Unterfangen mit größtmöglichem Risiko, als die meisten Kritiker denken . Und wer könnte mir dabei besser helfen, als Hebammen, die regelmäßig Hausgeburten betreuen und Mütter, die ihre eigenen Erfahrungen sammeln konnten?

Ist Hausgeburt wirklich mutig?

Die wohl am meisten getätigte Äußerung gegenüber Hausgeburtsmamis ist in der Tat dieses „Du bist aber mutig.“ Dieses „du bist aber mutig.“ drückt für mich (ich spreche hier nur für mich) im Prinzip nichts anderes aus als „Oh mein Gott das ist wahnsinnig“. Nach der Geburt berichten viele Mamis, die zu Hause entbunden haben darüber, dass sie „Glückwünsche“ erhielten mit „Das hätte ich mir nicht zugetraut“ „Da hast du aber Glück gehabt, dass nix passiert ist“… ist also dann das Ergänzungsstück zum „du bist mutig“. Doch ist es wirklich mutig zu Hause zu entbinden? Braucht man dafür Mut? Was macht denn eine Hausgeburt mutiger als eine Klinikgeburt? Ist eine Klinikgeburt nicht auch mutig? Genau das möchte ich hier klären. Deshalb habe ich glücklicherweise 3 Hebammen gefunden, die mir Rede und Antwort stehen und das Ganze aus ihrer Sicht beleuchten.

Schnell sind wir somit beim 2. Satz, den jeder kennt, der eine Hausgeburt möchte, betreut oder hatte:

„Was da alles passieren kann!“

Die Palette reicht dabei von individuellen Einzelfällen, wie z. B. „Hätte ich eine Hausgeburt gehabt, wäre ich gestorben…“ bis hin zu „Von der Freundin die Freundin die Freundin die Schwester – ja die hatte ja eine Hausgeburt und da ist was total schlimmes passiert!“  oder eben dem allgemeinen: „Und du bist dir sicher, dass du das möchtest? Ich meine, was da ALLES passieren kann, nicht auszumalen.“ Ich habe in der Tat schon einiges in diese Richtung gehört und kann just an dieser Stelle schon eines dazu sagen: JEDE Geburt ist anders. Jede Geburt ist einzigartig und auch wenn einer Mutter etwas Dramatisches passiert ist, so kann man nicht die Pauschalkeule nehmen und das pauschal auf Hausgeburten münzen. Zudem lässt sich es im Einzelfall wirklich schwer für Außenstehende beurteilen, was falsch gelaufen ist, ob es im Krankenhaus anders gelaufen wäre oder was zu so einem schrecklichen Umstand geführt hat. Zu beachten sei hier auch der Fakt, dass über 10% der Hausgeburten statistisch gesehen in die Klinik verlegt werden. Für viele ist dies eine erschreckende Zahl und zeugt davon, dass es nicht funktioniert. Für mich ist es eine positive Zahl, die zeigt wie frühzeitig Hebammen schon reagieren und damit das Leben von Mutter und Kind und die Geburt sichern. Zudem spielt es natürlich auch eine Rolle, dass die Hebamme die Verantwortung während der Geburt (mit)trägt.

Aber nun mal die Tatsachen auf den Tisch:

Was kann bei einer Hausgeburt alles passieren? Das sagen Hebammen dazu:

Hebamme Eli: „Erstmal ist es wichtig, dass Frauen, welche eine Hausgeburt planen, ganz gesund sein müssen, ebenfalls dürfen in der Schwangerschaft keine Auffälligkeiten bei der Frau oder beim Kind entstehen. Wenn dies alles gut begleitet wird, kann es in seltenen Fällen auch zu Notfällen kommen, wie z.b. einer verstärkten Blutung nach der Geburt oder Anpassungsstörungen beim Neugeborenen. Dafür sind Hebammen jedoch ausgebildet, haben Notfallmedikamente und Materialien dabei um im Notfall reagieren zu können. Auch regelmäßige Notfalltrainings sind notwendig für Hebammen um bei Eintritt eines solchen effektiv und zielgerichtet reagieren zu können. Meist ist es bei Hausgeburten so, das es zu weniger Interventionen unter der Geburt kommt, das heißt in den physiologischen Ablauf einer Geburt nicht eingegriffen wird. Kein künstliches Wehenmittel, keine medikamentöse Einleitung der Geburt, keine Schmerzmittel (PDA und über die Vene) und sehr selten Amniotomien (Eröffnen der Fruchtblase). Durch weniger Interventionen entstehen so auch weniger Abweichungen von der Physiologischen Geburt. Bei Notfällen in denen die Erstversorgung nicht ausreichend ist, wird jedoch die weitere medizinische Versorgung verzögert, da der Weg bis in die nächste Klinik dazu kommt.“

Was im Krankenhaus passieren kann…

Dies ist der Fakt, der bei all den Argumentationen gegen eine Hausgeburt oft außer Acht gelassen wird, denn auch im Krankenhaus kann etwas passieren oder besser gesagt: Es kann immer etwas passieren – zu jeder Zeit. Aber rein sachlich betrachtet, besteht im Krankenhaus das größte Risiko wohl darin, dass unter Umständen in den normalen Ablauf einer Geburt medizinisch eingegriffen wird und sich dieses Eingreifen in eine Art „Kettenreaktion“ im negativen Sinne verwandelt. Dies ist kein Geheimnis und z. B hier nachzulesen, dass statistisch gesehen nur 8% aller gesunden Schwangeren eine Geburt ohne medizinisches Eingreifen, also ohne Interventionen wie Wehentropf, Dammschnitt, Saugglocke oder beispielsweise Periduralanästhesie, kurz PDA oder eine rückenmarksnahe Narkose erleben können.

Weitere Risiken:

  • Geburtsstillstand (unangenehme Fahrt im Auto, neue Gesichter, Aufregung, mangelndes Wohlfühlen, Einstellen auf Klinik, Aufnahmebögen und -gespräche können dazu führen, dass sich Wehen vermindern oder verschwinden)
  • Krankenhauskeime
  • keine Rundumdieuhrbetreuung während der Geburt / Betreuungsschlüssel
  • wechselnde Hebammen unter der Geburt
  • weniger Selbstbestimmung
  • schnelleres Eingreifen in den normalen Geburtsablauf aufgrund krankenhausinterner Richtlinien

Hier möchte ich betonen, dass jedes Krankenhaus unterschiedlich arbeitet und man nicht pauschalisieren kann. Die Risiken sind ein wenig anders gelagert als bei einer Hausgeburt und doch bleibt eines gleich: Es kann in seltenen Fällen auch zu Notfällen kommen, wie z.b. einer verstärkten Blutung nach der Geburt oder Anpassungsstörungen beim Neugeborenen und Komplikationen unter der Geburt können dazu führen, dass ein Kaiserschnitt nötig wird (persönliche Anmerkung: Auch hier steht das OP-Team nicht sofort einsatzbereit im OP-Saal, jedoch ist der Weg zum OP bedeutend kürzer als bei einer Hausgeburt)

„Und die Sauerei…“

Sehr oft durfte ich mir auch schon das Sauereiargument anhören. „Boah das wäre ja nichts für mich, diese Sauerei dann zu Hause zu haben.“ oder „Und die Nachgeburt – die liegt dann in deinem Wohnzimmer oder was?“ Ich weiß nicht, welche Geburtserlebnisse in den Köpfen schlummern, aber meine beiden Krankenhausgeburten, waren nicht schmutzig oder ekelerregend. Bei Hausgeburten wird das kaum anders sein, aber gerne frage ich dazu die Hebammen:

Wie entgeht man zu Hause der Sauerei? Welche Vorkehrungen werden getroffen und welche Dinge werden im Anschluss an die Geburt erledigt, damit die Mütter nicht in einer „Sauerei“ enden?

Hebamme Eli: „Malervlies oder Abdeckvlies (weicher Stoff mit wasserundurchlässiger Unterseite) über Bett, Sofa, Teppich und darüber alte Leintücher, schützen Möbel und raschelt nicht so, Inkontinenzunterlagen oder Einmalwickelunterlagen, fangen das meiste auf. Insgesamt entstehen bei einer Geburt 1-2 kleine, volle Müllsäcke, welche gleich im Restmüll entsorgt werden können. Hebammen hinterlassen die Geburtsräume meist so wie sie vorgefunden wurden.“

auch ganz beliebte Frage: „Was macht ihr denn mit der Nachgeburt?“. Mittlerweile bin ich so genervt von der Frage, dass ich jedem erzähle, dass sie mein Hund als besonderes Leckerlie bekommen wird – der Blick meines Gegenübers ist jedes Mal unbezahlbar.

Was macht man mit der Nachgeburt oder besser gesagt, welche Möglichkeiten bestehen bei einer Hausgeburt?Hebamme Eli: „Die Nachgeburt kann, wenn man dafür keine Verwendung hat, im Restmüll entsorgt werden. Ansonsten gibt es viele viele Möglichkeiten den Mutterkuchen zu verarbeiten

  • Globuli aus Plazenta (Auch Plazentanosoden genannt)
  • Essen eines kleinen Stückchens der rohen Plazenta (soll die Milchbildung fördern und gegen Wochenbettdepression helfen, Studien dazu gibt es zur Zeit nur an Tieren)
  • Eingraben der Plazenta als Ritual unter einem Baum der dann als Lebensbaum des Kindes gilt
    Abdruck der Plazenta auf einer Leinwand (Plazenta sieht mit den Venen und der Nabelschnur wie ein Baum aus –auch Lebensbaum genannt)
  • Trocknen , pulverisieren und Einfüllen in Tablettenkapseln (Wirkungsmöglichkeiten siehe Punkt 2)
  • Siehe auch das Buch „ Heilmittel aus Plazenta“ von Cornelia Henning“

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„Was machst du, wenn etwas schief läuft?“

Das ist in meinen Augen eine berechtigte Frage, die man sich in Hinblick einer Hausgeburt als werdende Mutter wirklich stellen sollte. Generell: Es kann immer etwas schief laufen, egal wo und wie man entbindet und doch spielen bei einer Hausgeburt natürlich ein paar Parameter eine Rolle, die im Krankenhaus irrelevant sind – ist aber dann im Umkehrschluss genauso. Für mich ist zum Beispiel wichtig, dass das Krankenhaus in wenigen Minuten erreichbar wäre, genauso ist es mir wichtig, dass ich eine Hebamme an meiner Seite habe, der ich vertraue und bei der ich das Gefühl habe, dass sie weiß, was sie da tut. Welche Parameter für eine Mutter wichtig sind, ist jedoch individuell, dennoch gibt es aus Sicht der Hebamme natürlich ein paar Punkte zu beachten, damit möglichst eben nichts schief läuft.

Worauf achtet eine Hebamme schon vor Entbindung?

Hebamme Eli: „Mutter und Kind müssen ganz gesund sein und es dürfen sich auch im Verlauf der Schwangerschaft keine Erkrankungen ergeben. Das bedeutet, eine Hausgeburt kann geplant werden, kann aber zu gegebener Zeit aus verschiedenen Gründen „abgesagt“ werden.  Eine umfangreiche Anamnese zu Beginn der Schwangerschaft und regelmäßige Vorsorgen bei der Hebamme sind deswegen immer notwendig.“

Auch hier sei noch hinzugefügt, dass es zudem in Deutschland bei ET 3 Pflicht ist eine Kontrolluntersuchung von einem Gynäkologen durchführen zu lassen. Diese sollte im Mutterpass dokumentiert werden. Es ist hierzu nicht notwendig dem Arzt vom Hausgeburtsplan in Kenntnis zu setzen. Genaueres kann man hier nachlesen *klick*.

Wird jeder zur Hausgeburt angenommen und betreut? Gibt es Punkte die definitiv gegen Hausgeburten sprechen?

Hebamme Eli: „Jede Hebamme/jedes Hebammenteam arbeitet nach gewissen Richtlinien. Je nachdem gibt es mehr oder weniger Ausschlussgründe für eine Hausgeburt. Für das Hausgeburtenteam Graz (Österreich) sind folgende Gründe auf jeden Fall Ausschlussgründe für eine Hausgeburt (Leitlinie nach den NICE Guidance) Aufzählung nicht vollständig:

  • Bluterkrankungen der Mutter

  • Vorangegangener Kaiserschnitt (hierzu ist in Österreich der Gesetzestext nicht eindeutig, daher schließen es einige Hebammen nicht aus, in Deutschland ist es ebenfalls kein Ausschlusskriterium)

  • Herzerkrankungen der Mutter

  • Asthma welches (stark) behandlungsbedürftig ist

  • Diabetes (Einschließlich Schwangerschaftsdiabetes) -> In Deutschland ist dies kein absolutes Ausschlusskriterium 

  • Hepatitis B/C, HIV

  • Lupus erythematodes

  • Sklerodermie

  • Nierenerkrankungen

  • Epilepsie

  • Lebererkrankungen

  • Psychatrische Erkrankungen unter laufender Behandlung

  • Zustand nach Uterusruptur/Uterusoperationen

  • Zustand nach Eklampsie

  • Zustand nach manueller Plazentalösung

  • Zustand nach atonischer Nachblutung (starke Blutung)

  • Mehrlinge

  • Plazenta praevia

  • Frühgeburtsbestrebungen

  • Auffälligkeiten beim Kind

  • Zu wenig /zu viel Fruchtwasser“

Werden entsprechende Vorbereitungen vor Geburt getroffen?

Hebamme Eli: „Für alle muss der Weg in die nächste Klinik bekannt sein, Notfallnummern verzeichnet und der Ort der Hausgeburt nicht zu weit entfernt von der nächsten Klinik sein. Gründe die eine Verlegung erfordern sollten mit den Eltern besprochen werden, damit man bei Eintreffen nicht vollkommen überrascht ist. Außerdem bereiten Hebammen bei Eintreffen zur Geburt meist einen Bereich vor, an dem Sie ihre Materialien zurecht legen, damit nicht dann gesucht werden muss. Das Hausgeburtenteam Graz, begleitet die Paare immer zu zweit bei den Geburten, da vier Augen und vier Hände schneller und effektiver Arbeiten können.“

Das Gehirn spinnt jedoch oft weiter und trotz aller Vorbereitungen kann man sich natürlich nicht gegen Situationen schützen, die für die Mutter oder das Baby gefährlich werden – das geht weder im Krankenhaus noch in den eigenen vier Wänden. In diesem Zusammenhang hörte ich schon oft den Vorwurf: „Und wenn irgendwas passiert, bis ihr da im Krankenhaus seid, ist das Baby längst tot.“ Ich hoffe natürlich nicht, dass es zu einer Situation kommt und mag darüber auch nicht nachdenken, aber zu Recht sollte man sich auch damit beschäftigen. Für mich stellt sich mit 8-10 min Distanz zum Krankenhaus (Fahrtzeit) dann oft die Frage, ob die Ärzte im OP überhaupt so schnell fertig wären, bis ich da bin und ob sie im Vergleich dazu bei einer Krankenhausgeburt im Ernstfall sofort (innerhalb von 5 min) bereit wären einzugreifen und einen Kaiserschnitt durchzuführen. Aus meinem näheren Umkreis weiß ich, dass Mamas trotz sogenanntem Notkaiserschnitt 20 min oder länger gewartet haben, dass der OP entsprechend vorbereitet ist…wertvolle Zeit die verstreicht sowohl bei Hausgeburt, wie auch bei Klinikgeburten. Was vielen Mamas jedoch total unbekannt scheint, ist die Tatsache, dass auch eine Hausgeburtshebamme in der Lage ist Herztöne und den Geburtsfortschritt zu überwachen und man während der kompletten Geburt betreut wird, was bei mir bspw. bei den Krankenhausgeburten nie der Fall war – dort verbrachte ich bei Kind Nr. 1 50% der Geburtsphase alleine. Ich frage mich oft, ab wann da jemand gemerkt hätte, das etwas nicht stimmt.

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Aber was ist, wenn es zu Situationen kommt, bei denen die Gefahr besteht, dass Mutter oder Kinder zu Schaden kommen? Hat eine Hausgeburtshebamme überhaupt die Möglichkeit entsprechend und schnell zu reagieren? Nehmen wir beispielsweise an die Herztöne werden unregelmäßig.

Hebamme Lisa: “ „Schlechte“ Herztöne (suspekte oder patholgische Herztöne sagen wir dazu) treten am häufigsten in Zusammenhang mit Interventionen auf. Um einige Beispiele zu nennen: Geburtseinleitung, Schmerz- oder Wehenmittelgabe, aber auch durch die Rückenlage, die in vielen Krankenhäusern noch die Standard-Gebärposition ist. Ich selber hab noch nie eine Hausgeburt in Rückenlage betreut, von selber kommen die wenigsten Frauen auf die Idee, sich zum Gebären auf den Rücken zu legen. In der Rückenlage drückt die Gebärmutter gerne einmal auf die Vena cava (ein Blutgefäß), wodurch es zu einer Minderdurchblutung der Plazenta kommt. Wenn mir jetzt eine Frau erzählt, dass die Herztöne bei der Geburt auf einmal so dramatisch schlecht geworden sind, dass ein Akutkaiserschnitt gemacht werden musste (–> „Gottseidank war ich im Krankenhaus, sonst wäre mein Kind gestorben“), frage ich mich, wo diese Komplikation ihren tatsächlichen Anfang genommen hat. Aber natürlich gibt es sie – sehr sehr selten – auch: Die Fälle wo bei einer Hausgeburt, die bisher komplikationslos verlaufen ist, auf einmal ein massiver Herztonabfall erfolgt und die Herztöne nach Lagewechsel, Sauerstoffgabe etc. nicht wieder ansteigen. Da habe ich als Hebamme zwei Möglichkeiten: Entweder die Geburt ist schon weit fortgeschritten und ich kann innerhalb der nächsten Wehen das Kind (bei Bedarf mit Notfallmaßnahmen wie Wehenmittel, Dammschnitt etc.) entwickeln oder ich muss die Geburt stoppen bis wir im Krankenhaus sind. Das mache ich mit einem Wehenhemmer. Der bewirkt eine Erweiterung der Blutgefäße (somit auch der zuführenden Gefäße zur Plazenta). Das Kind wird also für die Dauer der Wehenhemmung wieder mehr mit Sauerstoff versorgt – was uns Zeit verschafft ins Krankenhaus zu kommen. Dort kann man dann sehen, ob man es nach der Wehenhemmung wieder stabilere Herztöne sind (das kommt öfters mal vor, scheinbar hilft eine Pause schon gut) oder ob man die Geburt gleich per Kaiserschnitt beenden muss.“

Hebamme Maria: „Mit meinen beschränkten Mitteln- absolut! Ich habe genauso wie in der Klinik eine ähnliche Palette an Medikamenten, die mir zur Verfügung stehen und könnte im Notfall eine Flexüle legen und Medikamente verabreichen, die helfen die Herztöne eventuell wieder zu stabilisieren. Wir haben selbst im Geburtshaus als Team , oder eben zu Hause, ein gewisses Notfall-Management, welches wir anwenden können und regelmäßig üben!“

An dieser Stelle sei aber angemerkt, dass es i.d.R. bei Hausgeburten die letzte Maßnahme ist in den Geburtsablauf durch Wehenmittel oder -hemmer einzugreifen und dies nur im Notfall gemacht wird.

Auch sehr oft gefragt: Was ist, wenn die Nabelschnur um den Hals gewickelt ist. Von meiner eigenen Hebamme weiß ich, dass das nicht einmal ungewöhnlich ist und viele Babys mit Nabelschnur um den Hals die Welt erblicken.

Wie löst eine Hausgeburtshebamme dieses „Problem“?

Hebamme Eli: „Viele Kinder haben bei der Geburt ihre Nabelschnur irgendwo um den Körper geschlungen, meist so leicht wie einen Schal oder ein Tuch. Sobald das Kind geboren wurde, entwirrt die Hebamme das Kind. Die meisten Nabelschnüre sind so lang, das die Kinder trotzdem ganz normal und in Ruhe geboren werden können. Wenn die Nabelschnur wirklich einmal zu straff um den Hals liegt oder sehr kurz geraten ist,wird dies unter der Geburt mit einem mangelnden Geburtsfortschritt oder suspekten Herztönen sichtbar. Dann können, geeignete Maßnahmen eingeleitet werden.“

Was ist, wenn nach der Geburt starke Blutungen bei der Mutter auftreten?

Hebamme Eli: „Hebammen haben immer Notfallmedikamente dabei.  Diese werden im Notfall über einen Venenweg verabreicht. Außerdem müssen alle anderen Gründe für eine starke Blutung abgeklärt werden (z.b.: Geburtsverletzung aus der es stark blutet, ein Stück Plazenta welches sich noch in der Gebärmutter befindet, oder eben ein fehlender Tonus der Gebärmutter).“

„Und wenn du reißt oder eine PDA willst? Kommt da gar kein Arzt mit?“

Kommen wir zum Part „während und nach der Geburt“. Ich wurde schon häufig gefragt, was ist, wenn ich reiße. Ich muss gestehen, dass ich damit bisher keinerlei Probleme hatte, aber natürlich kann das unter der Geburt passieren. Ebenso unvorstellbar ist es für manche Menschen, dass kein Arzt die Geburt begleitet, wobei ich mich dann immer wieder frage, was ein Arzt überhaupt bei einer Geburt tun soll außer zusehen? Fragen wir aber lieber die Hebammen

Was wird gemacht, wenn eine Frau reißt?

Hebamme Maria: „Kurz und knapp – sie wird genäht! In unserem Aufgaben- und Verantwortungsbereich liegt auch Wunden bzw Risse oder auch eine Epi  (Dammschnitt) zu versorgen und gegebenenfalls auch zu nähen.“

Wieso ist kein Arzt zur Geburt anwesend? Welche Rolle spielt er bei einer Geburt?

Hebamme Maria: „Es gibt nur sehr wenige Ärzte, die diese Art der Geburtshilfe unterstützen oder zu schätzen wissen und selbst wenn sie sich versichern würden, könnten Sie ihre Haftpflicht kaum bezahlen! Die umfasst fast das 4fache von dem was wir Hebammen bezahlen und ist somit absolut nicht rentabel. Die Rolle die ein Arzt spielt zur Geburt? Er wird hinzugezogen wenn es Komplikationen gibt und in vielen Kliniken ist es auch üblich bei jeder Geburt einen Arzt anwesend zu haben, obwohl laut Gesetz nur die Hinzuziehung einer Hebamme verpflichtend ist. Ärzte spielen eine große Rolle wenn Pathologien auftreten, weil wir als Hebammen z.B. keinen Kaiserschnitt durchführen dürfen oder auch eine manuelle Plazentalösung liegt nicht in unserem Tätigkeitsbereich! Von daher spielen Ärzte eine große Rolle , wenn es nicht mehr um die regelrechte Geburt geht.“

Wie sieht das mit Schmerzmitteln aus?

Hebamme Eli: „Medikamentöse Schmerzmittel  stehen zu Hause NICHT zur Verfügung. Durch die gewohnte Umgebung, bekannte Personen die während der Geburt anwesend sind, Selbstbestimmung und Vertrauen in sich selbst, wird die Wehenkraft meist auch nicht so intensiv wahrgenommen. Alternative Schmerzmittel wie Wärme, Massagen, Bäder, Akupunktur, Homöopathie etc. können zu Hause auch leichter angewandt werden. Selbstbestimmung bedeutet aber auch, jederzeit unter der Geburt entscheiden zu können, lieber ein Medikament gegen die Schmerzen bekommen zu wollen und so die Geburt zu Hause abzubrechen und in der Klinik zu gebären.“

Ganz oft werde ich auch ungläubig angeschaut und gefragt: „Du fährst dann nach der Geburt extra nochmal in die Klinik? Ist das nicht sinnlos?“ Ich frage mich immer, warum das in manchen Köpfen steckt. Ich fahre im Optimalfall nämlich in den nächsten 10 Tagen nirgendwo hin. Eine Hebamme kann sowohl die U1 durchführen wie auch mit Genehmigung des Kinderarztes das Neugeborenenscreening. Zur U2 kommt ein Kinderarzt zu uns nach Hause und die muss auch nicht zwangsweise am 3. Lebenstag durchgeführt werden.

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Welche Untersuchungen kann eine Hebamme durchführen? Zu was ist eine Hebamme nach Entbindung berechtigt?

Meine Hebamme führt nach Entbindung folgende Eingriffe durch (z. T. falls gewünscht und nötig): U1,Neugeborenenstoffwechselscreening (Stoffwechselscreening ist eine genetische Untersuchung und muss vom Arzt aufgeklärt werden, dann darf die Hebamme das Blut bei entsprechender Anweisung abnehmen. In der Praxis läuft das so, dass die Frau sich einen Schein vom Kinderarzt holt, meist schon in der Schwangerschaft), Verabreichung von Vit K wenn gewünscht, Ausfüllen der Geburtsanzeige, Nachversorgung evtl. Dammverletzungen Mutter sowie bspw. Untersuchung der Brust (bei Milchstau zum Beispiel), evtl. Blutabnahmen. Zudem verschwindet sie nicht sofort wieder, sondern beobachtet Mutter und Kind natürlich noch einige Zeit nach der Geburt. Die Hausgeburtshebamme muss nicht zwangsläufig die komplette Nachsorge übernehmen. Für mich ist dieser Punkt jedoch ein riesen Schatz, weil es einfach gut ist eine Hebamme auch in den Wochen danach an meiner Seite zu wissen, die meine Geburt begleitet hat und daher eventuelle Details kennt.

Hebamme Lisa (Österreicherin): „Nach der Geburt nähen wir (Versorgung von Geburtsverletzungen), geben die Rhesusprophylaxe (Injektion für Rhesus negative Frauen),  führen beim Kind zwei Vitamin-K-Gaben durch, eine Blutentnahme aus der Ferse & füllen die Geburtsanzeige aus (Basis für die Geburtsurkunde).“

Hebamme Eli: „Untersuchungen die die Hebamme machen kann  in Österreich:

U1, Neugeborenenstoffwechselscreening (Blutabnahme aus der Ferse) (->wir müssen keinen Arzt um Erlaubnis fragen), Verabreichung von Vit K wenn gewünscht, in der ersten Lebenswoche muss dann noch eine Kinderarztuntersuchung stattfinden, danach wieder in der 4-7. Lebenswoche“

Hebamme Maria: „Die Abschlussuntersuchung nach der Geburt fällt mir noch ein: quasi 6-8 Wochen nach der Geburt nochmal gynäkologisch zu gucken , HB-Kontrolle und Urinsedimentbestimmung  – das dürfen wir auch! Ansonsten ist die österreichische Version fast die Deutsche. Wir machen wirklich die gleichen Sachen, nur dass unsere Kinder ja zur U2 nach 3-10 Tagen schon zum Doc müssen.“

„Und was machst du mit den Kindern? Die bekommen doch ein Trauma!!!“

Auch diese Aussage oder Unterstellung, dass ich meine 2 Jungs einem Geburtstrauma aussetzen würde, hat mich lange beschäftigt. Ist das denn wirklich so? Ich meine, wer sagt denn, dass Geburten traumatisch sind: wir Erwachsenen. Wer macht daraus etwas „ekelhaftes“: wir Eltern und schon drehte sich meine Meinung dazu. Anfänglich wollte ich die Kinder gerne fernhalten, doch mittlerweile will ich es einfach auf uns zukommen lassen und intuitiv entscheiden. Ich weiß weder, wie ich in der Situation sein werde, noch weiß ich, wie die Kinder reagieren. Ich weiß noch nicht einmal, wann die Geburt losgeht und zu welcher Tageszeit…also warum sollte ich jetzt Pläne schmieden, die sich nicht verwirklichen lassen. Ich weiß aber eines: Ich kenne nicht ein Kind, dass eine traumatische Hausgeburt in Erinnerung trägt – zumindest ist mir keines bekannt. Davon abgesehen ist es natürlich auch in manchen Kliniken möglich die Kinder einzubeziehen, wenngleich sich hier die Organisation vielleicht etwas schwieriger gestaltet.

Wie gehen Kinder mit Hausgeburten um? Wie empfindet es eine Hebamme wenn Geschwisterkinder der Geburt beiwohnen möchten?

Hebamme Eli: „Ich empfehle hier eine gute Vorbereitung auf die Geburt der Geschwisterkinder. Ebenfalls sollte dem Kind ab einem gewissen Alter frei gestellt werden, ob es bei der Geburt dabei sein möchte oder nicht. Außerdem muss auch die Frau für sich entscheiden, ob sie das möchte.  Auf jeden Fall empfehle ich immer eine weitere Betreuungsperson für das Kind, falls es doch nicht dabei sein möchte oder eine intensivere Betreuung benötigt. Viele Kinder verschlafen dann die tatsächliche Geburt und kommen danach dazu. Und Kinder die bei der Geburt wirklich dabei sind, sind meist ruhiger, beobachten viel und bewerten gar nicht. Gut ist es auch, vielleicht das Tönen unter der Geburt dem Kind vorher schon mal ungefähr vorzumachen, damit hier keine Angst aufkommt. Und für mich als Hebamme, gibt es nichts schöneres als eine Geburt mit Geschwisterkindern, da nur so eine Hausgeburtskultur aufrecht erhalten werden kann, bzw. genau so der positive und angstfreie Zugang zu Geburt weitergegeben werden kann. Leuchtende Augen eines dann plötzlich großen Geschwisterkindes sind Balsam für die Seele!“

Ich hoffe, dass ich mit diesem Beitrag ein wenig aufklären konnte und danke allen Hebammen und Mamas, die mir dabei geholfen haben und mich dazu animiert haben. Ich selbst möchte die Frage: Ist eine Hausgeburt mutig ungern von einer Hebamme abschließend beantworten lassen. Lies dir den Text durch, gehe in dich und beantworte es selbst. Ich für meinen Teil finde mich nicht mutiger als eine Mama, die die Klinik aufsucht. Ich habe nur eine andere Art gewählt zu entbinden und freue mich diese Erfahrung machen zu können, habe bewusst entschieden und trage diese Entscheidung.

An alle Mamis, die über eine Hausgeburt nachdenken, kann ich nur den Tipp geben, sucht euch eine Hebamme und stellt ihr alle Fragen, die euch bewegen und entscheidet dann und entscheidet nicht für andere, entscheidet für euch. Zudem gibt es als Alternative auch noch Geburtshaus und Beleghebammen, die sozusagen eine Komponente der beiden Geburtswege darstellen.

An alle Mamis, die sich für die Hausgeburt bereits entschieden haben, kämpft wie die Löwinnen, dass unsere Kinder diese Option auch noch haben werden, denn darum geht es doch eigentlich: Die freie Wahl des Geburtsortes!

DANKE

Weiterführende Link:

http://www.quag.de/

http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4095.php

www.hebammenverband.de