Neulich hatte ich ganz unverhofft mal wieder so ein „Bitte was?“-Phänomen. Ich war in der Stadt unterwegs und traf zufällig eine Mama, die mir flüchtig bekannt war. Da sie auch ein kleines Baby hat, kamen wir natürlich schnell auf das gleiche Thema und unterhielten uns – zugegeben kurz.

Sie erzählte mir ganz locker fluffig, dass ihr 13 Wochen altes Baby nie gestillt wurde, von Beginn an im eigenen Zimmer schläft und dass sie sowieso – seitdem das Baby 9 Wochen ist – (und damit der Mutterschutz vorbei war) wieder arbeiten ginge. Ihr stünde das Mamasein einfach nicht und es ist nichts für sie. Aber sie sei so stolz, dass ihr Baby schon durchschläft und total selbständig ist, ja, ihr kleiner Wurm bräuchte sie nicht einmal. Das Baby schläft sogar schon seitdem es ein paar Wochen ist regelmäßig bei Oma und Opa – so ist „Partymachen“ kein Problem. Und dann tönte sie zu ihrem Freund noch, als ich erwähnte, dass der Kleine ein Speikind sei: „Oh Gott Schatz, was haben wir nur für ein Glück – stell dir vor solchen Mist noch zu haben“. Okaaaaaay, da war der Punkt erreicht, an dem ich mir sicher war, dass Flucht ergreifen und tief Luft holen nun die anständigste Lösung sei. Im Fluchtmodus tönte ich noch kurz innerlich zu mir „ich bin tolerant, ich akzeptiere deine Meinung, ich bin tolerant, ich akzeptiere….“

Außer Reichweite von ihr blickte ich auf klein T. und dachte, dass ich es mir nie vorstellen könnte ihn jetzt in ein eigenes Zimmer zu verfrachten (er schläft nach wie vor im Familienbett). Ich könnte mir auch nicht vorstellen abzustillen oder gar jetzt wieder arbeiten zu gehen.
Party??? Daran denke ich nicht einmal – wie soll das auch zwischen 3 h Stillrythmus gehen? Und allgemein, warum sollte ich überhaupt den Zwerg jetzt schon „abgeben“ – er ist gerade erst auf die Welt gekommen (upsss vergessen, er ist ja schon 4 Monate). Nichtsdestotrotz war ich völlig anderer Meinung wie diese Dame und das Spucken empfinde ich zwar hin- und wieder etwas nervig, aber doch keinesfalls so drastisch, dass es meine Beziehung zu ihm beeinflussen würde…also nein, ts ts ts!

Obwohl ich mir immer wieder sage: Leben und leben lassen, beschäftigt mich diese Situation noch lange im Nachhinein. Nicht, weil ich den totalen Gegensatz verkörpere (wenn man es genau nimmt: das tu ich in der Tat), sondern vielmehr ,weil mich das irgendwie nachdenklich stimmte. Sie hat da ein Baby bekommen und spricht, als wäre sie mal bei Lidl Fisch einkaufen gewesen.

Kind bekomme und einfach so weiterleben wie vorher – ganz ohne Verzicht?

Genau das war es, dass mich zum Überlegen brachte. Kann man allen Ernstes ein Kind bekommen und sein Leben einfach weiter so abspielen, als sei nichts passiert? Ist es nicht ganz natürlich, dass man als Mutter „Opfer bringen muss“? Es ist klar, dass sich auch mit Kind die Welt weiter dreht und die Uhren weiter ticken, aber ändert sich doch der Takt. Da schleicht sich ein kleines Wesen in unser Leben und schwupp…setzt es sich die Krone auf und gibt den Ton an.

Wie nun der Alltag aussieht, ist natürlich von vielen Faktoren abhängig: Wie ist das Baby – Vielschläfer oder kleiner Schreizwerg? Hat man die Familie mit im Haus oder ist die nächste Unterstützung in weiter Ferne..

Nun gibt es zwei Prototypen:

Mama 1: Das Kind ist total ruhig, schläft 20 h am Tag, die Oma oder Nanny lebt im gleichen Haus und der Papa hat super geniale Arbeitszeiten, sodass Mama ultra entlastet ist. Mama 1 ist die ausgeglichenste Person auf dem Erdball und hat auf dem Konto Zahlen im 6-10stelligen Bereich.

Mama 2: Das Kind ist nicht immer ruhig, Schlaf wäre schön – noch mehr Schlaf wäre noch schöner. Papa geht arbeiten und verdient die Brötchen dazu. Das Eltergeld reicht gerade so aus, dass es möglich ist mit Kind zu Hause zu bleiben. Das Konto ist am Monatsende fast abgeräumt.

Fotolia Herz
© RFsole –  Fotolia.com

Sind wir ehrlich – Mama 1 existiert wohl nur in seeeeeeeeeeehr wenigen Fällen und die meisten werden Mama 2 oder irgendetwas dazwischen verkörpern, was wiederum Verzicht bedeutet.

In der Tat verzichten wir auf wirklich vieles:

– Schlaf

– Partnerleben

– Hobbys

– viel Geld

– Karriere

– Freizeit

– unbekümmerte Couchtage

– unsere Lieblingsserien (kommt auf die Sendezeit an)

– Einladungen und und und

…dafür behüten wir unsere Kinder, tun stets das beste für sie, sorgen dafür, dass es ihnen so gut wie möglich geht. Aber betrachten wir diese Verzichtseite aus einem anderen Winkel., so bekommen wir gleichzeitig doch so Vieles:

– echte Gefühle

– Liebe

– Komplimente

– Verantwortung

– Förderung unserer Talente

– Förderung von Organisation, Alltagsmeisterung, Kochkünsten und Co.

– Küsse

– Momente zum Lachen

– Kuschelabende

– eine Ausrede dafür, fettige Haare und Schlapperkleidung zu tragen

– Unterhaltung

– Spiegel unseres Ichs

Tja, und wenn ich dann so darüber nachdenke, dann verzichte ich dafür doch gerne – gehe an der Dame da oben erhobenen Hauptes vorbei und schwöre mir, dass ich ihr beim Nächsten mal sagen werde: „Und ich nehme mir gerne die Zeit für meine Kinder, auch wenn sie nicht so perfekt sind.“

Sabrina